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Weniger ist manchmal mehr…

(gaybrandenburg - communityTicker) … Mit diesen Worten setzte der Moderator Ron Schulz einen Schlussstrich unter die dreijährige Geschichte des Beirates CSD Brandenburg. 28 Gruppen, Vereine und Initiativen aus queeren Zusammenhängen zählten zum Schluss zu den Organisatoren des CSD Brandenburg. Sie machten vier CSD´s in Brandenburg, die über den Beirat bzw. dessen Vorläuferstruktur zwischen 2006 – 2009 organisiert wurden, zu einer Erfolgsgeschichte. Mit Eröffnungsgottesdienst, schwuler Filmnacht, Radiosendungen und thematischen Veranstaltungen konnte eine hohe Qualität und überregionale Ausstrahlung erreicht werden. Mit den Ausstellungseröffnungen anlässlich des CSD auf dem Potsdamer Landtag erreichte Brandenburg bundesweit ein Alleinstellungsmerkmal.

Alle an der Auflösung beteiligten Beiratsmitglieder bedauerten unisono die Auflösung des Gremiums. Renate Müller, Vorstandsvorsitzende der AIDS – Hilfe Lausitz drückte es so aus: „Wir finden es schade das der Beirat sich auflöst, weil das Anliegen welches er hat ein wichtiges ist.“ Zur Begründung der Zustimmung des Antrages zur Auflösung, meinte sie: „Auch wenn wir jetzt viele Jahre brauchen um wieder einen gemeinsamen CSD zu organisieren, aber die Strukturdebatte ist wichtig, weil bei so vielen neuen Vereinen über Entscheidungswege neu nachgedacht werden muss. Das war unser Anliegen.“

 

Genau über diese „Dauer – Struktur – Debatte“ hatte sich der Beirat entzweit. Noch bevor der CSD Brandenburg 2009 begann, wurde von neu hinzugekommenen Mitgliedern des Beirates CSD Brandenburg, die Strukturen des Beirates thematisiert. Schlussendlich, dass scheinen alle Mitglieder des Beirates so wahrzunehmen, ging es um die Frage wer mit welchem Stimmrecht ausgestattet wird.

Die einen bestanden auf ein möglichst niedrig schwelliges Angebot zum Beitritt in den Beirat. Für Jirka Witschak (Katte e.V.) ist völlig klar: „Wir erkennen wertschätzend an, dass Einzelpersonen die Projekte wie die schwule Filmnacht oder eine schwule Bar aus Cottbus betreiben, genau so stimmberechtigt sind wie sogenannte „große“ Vereine. Es geht uns darum queere Vielfalt in Brandenburg darzustellen und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.“

Genau diese niedrigschwellige Möglichkeit des Beitritts ging dann einigen Mitgliedern des Beirates zu weit. Der Vorwurf der „Scheindemokratie“ machte sehr schnell die Runde. Beide Seiten wunderten sich auf ihre Weise über die zunehmende Anzahl der Eintritte in den Beirat. Hinzu kamen Vorwürfe mangelnder Möglichkeiten der Teilnahme lesbischer, schwuler und Transgendergruppen am CSD Brandenburg 2009. Hauptangriffspunkt war die Grobkonzeption zum CSD Brandenburg, den die damalige Geschäftsstelle in den Beirat einbrachte.

Beobachter der Szenerie konnten eine zunehmende Verkrampfung auf beiden Seiten feststellen. Wer mit wem und wer gegen wen - wurde zu einer unausweichlichen Frage. Protokolle von Geheimtreffen machten die Runde. Vorschläge der einen Seite wurden mit Grundsatzfragen zur Struktur des Beirates aufgewogen.

Kurz vor der letzten Sitzung am 5. Oktober setzte das Berliner Jugendnetzwerk Lambda einen neuerlichen Vorstoß zur Struktur auf die Agenda. Dabei war der Beirat auf dem Weg eine gemeinsame Geschäftsordnung zu entwickeln. Der Entwurf erstellt von einer renommierten Rechtsanwältin, sollte beraten und abschließend nach „gefühlt 10jähriger“ Diskussion abgestimmt werden. Dabei war ausschliesslich dieser Entwurf auf die Tagesordnung zu heben. Einstimmiger Beschluß des Beirates im September. Die neuerliche Verlängerung der Diskussion um Macht und Strukturen ging dann einigen Beiratsmitgliedern zu weit und brachte das Fass zum Überlaufen. Eine nachhaltige Diskussion um die Qualitäten der neuen Geschäftsstelle erübrigte sich, auf Grund der Ereignisse.

Ted Bexter von www.gayradio1.de zog als erster die Konsequenz und trat noch vor der Sitzung aus: „Menschen, wie ich, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich für die "schwächeren, hilfebedürftigeren" in unserer Gesellschaft einsetzen, müssen mit ihren zeitlichen Ressourcen vernünftigen umgehen. Ich habe mich bereits im Frühsommer dieses Jahres dafür entschieden, meine persönliche Prioritätenliste für langfristige, notwendigere und Erfolg versprechende Projekte zu verändern und meine Kraft und Zeit für diese sinnvoll einzusetzen.

Auch die LSU (Lesben und Schwule in der Union) kündigte an aus dem Beirat nach der nächsten Sitzung austreten zu wollen. Auch die Begründung lässt hier aufhorchen: Zur Begründung: In den vergangenen Jahren hat sich im Land Brandenburg eine kleine, aber durchaus beachtliche lesbisch-schwule Szene entwickelt. Die Zusammenarbeit mit dieser Szene und Mitarbeit in dieser Szene hat mir immer viel Spaß gemacht. Leider ist es unterdessen so, dass diese Szene zumindest im CSD Beirat von Leuten dominiert wird die großen Spaß an Struktur- und Geschäftsordnungsdebatten haben. Das finde ich sehr schade, denn die inhaltliche Arbeit muss dadurch zwingend auf der Strecke bleiben. Möglicherweise wären diese Personen in einem Debattierclub besser aufgehoben...

Das Beiratsmitglied Manuel Schubert vom Filmanzeiger ließ, dann die Bombe kurz vor der Sitzung platzen: in einem mehrseitigen Antrag forderte er die Auflösung des Gremiums an dem er sich mit der Schwulen Filmnacht in den Jahren zuvor erfolgreich beteiligt hatte. In dem Papier wiederum griff auch er deutlich die Fraktion AndersARTIG/Lambda an: „Es wird wohl niemand, der in den letzten Monaten die Sitzungen des Beirats verfolgt hat, leugnen können, dass aus den Reihen des Lambda e.V. bzw. aus der Fraktion (und man kann das beim besten Willen nur als eine Fraktion bezeichnen) "Lambda/AndersArtig" seit Monaten eine gezielte Blockade der Gremiumsarbeit betrieben wird. In der Gestalt, dass unentwegt Strukturdebatten und Diskussionen über Formalien angestrengt werden. Und inhaltliche, die Community und den CSD betreffende Debatten faktisch nicht mehr stattfinden. Jedenfalls ist mit diesem Gremium und seinen künstlich hergestellten Mehrheiten keine gestaltende, inhaltliche Arbeit mehr möglich. Die dafür notwendigen grundlegenden demokratischen Prinzipien, das Vertrauen und die Geduld sind einfach nicht mehr vorhanden. Geschweige denn von der notwendigen einigenden Kraft, die solch ein Gremium, solch ein runder Tisch auf die Community ausüben sollte.

Offensichtlich waren alle Seiten auf die Eskalation vorbereitet. Im Anschluss an die Sitzung in der von allen Seiten die Auflösung des Beirates beschlossen wurde, gründete sich die Initiative CSD Brandenburg. Noch in der Nacht schaltete das Jugendnetzwerk Lambda auf seiner Homepage einen Artikel zur Gründung der Initiative CSD Brandenburg. Die seit Jahren brachliegende Internetseite www.CSD–Brandenburg.de (Inhaberin der Seite AndersARTiG e.V.). ist seit dem 6. Oktober 2009 13:00 Uhr freigeschaltet. Unterstützt wird die Initiative von Lambda e.V., Andersartig e.V., der AIDS – Hilfe Lausitz, der Landjugend e.V. und der Jugendgruppe Drags Potsdam und dem Stammtisch Queer an der Havel. „Wir brauchen Klarheit in den Strukturen, Demokratie in der Zusammenarbeit und Kreativität in der Durchführung des CSD Brandenburg 2010. Ziel unseres Engagements ist nicht das Abwehren von Querschüssen aus dem eigenen Lager, wie wir es sehr zu unserem Bedauern bislang hinnehmen mussten, sondern vielmehr die Emanzipationsarbeit von und mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans* Menschen in Brandenburg“ so die unmissverständliche Botschaft von Lars Bergmann, Geschäftsführer des Jugendnetzwerk Lambda Berlin-Brandenburg e.V. und Mitinitiator der Initiative CSD Land Brandenburg.

Ähnlich wie der Beirat CSD Brandenburg beruft sich Lars Bergmann auf die Notwendigkeit Strukturen in die Fläche Brandenburgs zu bringen. Auch er betont, wie bisher der Beirat, dass es bisher an Strukturen in Brandenburg für LSBT – Themen fehlt. Dies wiederum wundert diejenigen die über den Beirat CSD Brandenburg erste landesweite Kooperationsprojekte angeschoben haben. Der Unmut hierbei über die Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange wird immer wahrnehmbarer. Einige Kenner lästerten schon vor Monaten über die mangelnde Anwesenheit von Gabriele Kerntopf bei den Beiratssitzungen.

Dabei erwarten alle Beteiligten eine zunehmende Thematisierung in der Frage der Netzwerkfähigkeit geförderter Strukturen im Land Brandenburg. Auch  mehrere nunmehr ehemalige Mitglieder des Beirates CSD Brandenburg bringen sich in Stellung, sehen die Situation aber betont gelassen. „Ob Queensday, Schwule Filmnacht, die Thematisierung von HIV/Aids, Gottesdienst und vielen anderen liebgewonnenen Traditionen des CSD Brandenburg, alle werden weiterhin Bestandteil queerer Communityarbeit in Brandenburg sein“, da ist sich Carsten Bock von Ver.di und Sprecher von Katte e.V. sicher.

Jeder der Beteiligten erwartet aber weitere heftige Diskussionen. Wir sind für Sie dabei.


Brandenburg zukünftig ohne CSD?

(red/ 6. Oktober 2009/ 12:00 Uhr) In der kürzesten Sitzung in der Geschichte des Beirates CSD Brandenburg wurde gestern dieses Gremium aufgelöst. In einer als kühl und emotionslos empfundenen Atmosphäre wurde dem Antrag auf Auflösung des Gremiums durch Beiratsmitglied Manuel Schubert (www.filmanzeiger.de) in übergroßer Mehrheit gefolgt. Der Beirat CSD Brandenburg ist damit Geschichte. Zur Zeit sortieren sich die Vereine neu. Offensichtlich von langer Hand vorbereitet ist die Gründung der Initiative CSD Brandenburg. Noch in der Nacht veröffentlichte das Berliner Jugendnetzwerk Lambda einen Aufruf zur Gründung einer neuen Initiative. Im Laufe des Tages finden Sie auf dieser Seite weitere Berichte und Kommentare

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