LSVD: Broschüre Lesben und Schwule in der DDR
(Gaybrandenburg - Erinnern und Gedenken) Der Landesverband Sachsen-Anhalt des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) und die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt haben eine Broschüre "Lesben und Schwule in der DDR" herausgegeben. Dazu erklärt Martin Pfarr, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes:
"Auch wenn Lesben und Schwule in der DDR in gleicher oder ähnlicher Weise den weltweit vorkommenden Alltagsdiskriminierungen ausgesetzt waren, gab es doch eine Reihe von Diskriminierungsformen, die für diesen Staat und seine Gesellschaft typisch waren. Die wissenschaftliche Erforschung des Lebens und der Alltagserfahrungen von Homosexuellen in der DDR hat zwar große Fortschritte gemacht hat, doch gibt es immer noch zahlreiche Forschungslücken."
Der nun erschienene Band füllt einige dieser Lücken und nimmt die ganze Breite des Themas in den Blick; er behandelt sowohl offizielle und inoffizielle staatliche Positionen zu Homosexualität wie auch die Einstellungen Heterosexueller zu Homosexualität und das Verhältnis von Lesben und Schwulen innerhalb politischer Bewegungen. Die Texte basieren auf den Vorträgen, die auf der vom LSVD organisierten Tagung "Lesben und Schwule in der DDR" im Oktober 2005 gehalten wurden.
Die Broschüre kann gegen eine Versandkostenpauschale von 2 Euro (Kennwort: Broschüre DDR) beim LSVD-Landesverband Sachsen-Anhalt bestellt werden:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Hintergrund:
Lesben und Schwule in der DDR waren einerseits den überall auf der Welt gleichen oder ähnlichen Alltagsdiskriminierungen ausgesetzt. Andererseits gab es eine Reihe von DDR-eigenen und -typischen Diskriminierungen durch den Staat und die Gesellschaft. Zwar ist die wissenschaftliche Erforschung der Alltags- und Lebenswelt von Homosexuellen und der Organisation ihrer Bewegungen in der DDR bereits vorangeschritten - Forschungslücken bestehen jedoch nach wie vor bei der auch in der DDR weit verbreiteten Antihomosexualität.
Der vorliegende Tagungsband nimmt die ganze Bandbreite des Themenkomplexes Homosexualität-Antihomosexualität in den Blick. Er enthält die auf der Tagung "Lesben und Schwule in der DDR" im Oktober 2005 gehaltenen Vorträge. Die Veranstaltung wurde vom Landesverband Sachsen-Anhalt des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) e. V. mit Unterstützung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales Sachsen-Anhalt, der Heinrich-Böll-Stiftung und des LSVD-Bundesverbandes ausgerichtet.
Inhaltsverzeichnis:
- Hans-Peter Schulze - Begrüßung (Seite 5)
- Dr. Lutz Trümper - Grußwort des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Magdeburg (Seite 6)
- Eduard Stapel - Einleitung (Seite 7)
- Prof. Dr. Kurt Starke - Leben von Lesben und Schwulen in der DDR. Selbstreflexion und Einstellung von Hetero- zu Homosexuellen und Homosexualität (Seite 9)
- Christian Schenk - Die Partei(en) in der DDR. Ihre Politik und ihre Ideologie(n) im Blick auf lesbische Lebenswelten (Seite 35)
- Samirah Kenawi - Die Ersten werden die Letzten sein. Thesen zur Lesbenbewegung in der DDR (Seite 57)
- Hans-Jochen Tschiche - "Die Kirche ist für alle da, aber nicht für alles!" Die Kirche(n) und ihre (Basis-)Gruppen sowie der besondere Umgang der Kirche(n) mit den Lesben- und Schwulengruppen (Arbeitskreise Homosexualität). (Seite 67)
- Marinka Körzendörfer - Getrennt kämpfen, vereint zuschlagen? Das Verhältnis von Lesben und Schwulen innerhalb der BürgerInnenrechts-Bewegung(en) in der DDR (Seite 83)
- Dr. Rainer Herrn - Schwule Männer und die Krankheit Aids in der DDR (Seite 89)
- Eduard Stapel - Warme Brüder gegen Kalte Krieger. Die DDR-Schwulenbewegung im Visier des Ministeriums für Staatssicherheit. (Seite 99)
- Dr. Ursula Sillge - Damals war's! Zu Bedingungen, Strukturen und Definitionen der lesbischschwulen Bewegung in der DDR. (Seite 109)
- Prof. Dr. Rüdiger Lautmann - Warum vergisst die Geschichtsschreibung zur späten DDR den Beitrag der Lesben und Schwulen? (Seite 117)
Anhänge - Lesben und Schwule in der DDR. Programm der Tagung. (Seite 137)
- Hartmut Beyer - Die Gründung des „Klubs A-3": Ein Auftragswerk der Staatssicherheit? (Seite 139)
- Ants Kiel - Geschichtlicher Abriss des Arbeitskreises Homosexualität Eisleben (1983/84) und Halle (ab 1984) (Seite 141)
- Michael Heß - Spuren zu Denkmälern (Tagungsbericht/Presseartikel) (Seite 148)
- Herbert Potthoff - Lesben und Schwule in der DDR (Tagungsbericht/Presseartikel) (Seite 152)
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren (Seite 157)
Autorinnen und Autoren:
Hartmut Beyer
Geb. 1948. Dipl.-Ing. Oec. Seit 1984 aktiv in der DDR- und BRDSchwulenbewegung, zuerst in den Kirchlichen Arbeitskreisen Homosexualität in Rostock und Magdeburg. 1987 Mitbegründer des Klubs A3 und langjähriger Vorsitzender des gleichnamigen Vereins. Mitbegründer der AIDS-Hilfe Magdeburg und langjähriges Vorstandsmitglied. Von 1996 - 2004 Mitglied der Landessprecherates des Landesverbandes des LSVD Sachsen-Anhalt.
Dr. Rainer Herrn
Mitarbeiter der Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (Berlin). Zahlreiche Aufsatz- und Buchveröffentlichungen, Ausstellungen, Lehrveranstaltungen und Vorträge zur Sexual- und Geschlechterwissenschaft sowie zu sexuellen Minderheiten aus wissenschafts-, kultur- und sozialhistorischer Sicht, wie z.B. „Schwule Lebenswelten im Osten: Andere Orte, andere Biografien" (Berlin, 1999). Seit 1982 in der DDRLesben- und Schwulenbewegung, seit 1987 in der Aidsselbsthilfe aktiv.
Samirah Kenawi
Geb. 1962 in Ostberlin. Ab 1984 in verschiedenen DDR-Frauengruppen und Netzwerken aktiv und nahm im Herbst 1989 an Gründung und Aufbau des Unabhängigen Frauenverband (UFV) teil. Seit 1988 baute sie eine Frauenbibliothek sowie ein Archiv zur ostdeutschen Frauenbewegung auf. Über das Archiv Grauzone - die umfassendste Sammlung zur DDR-Frauenbewegung - veröffentlichte sie mehrere Artikel sowie eine Dokumentation und ein Bestandsverzeichnis.
Ants Kiel
Geb. 1966, Diplom-Pädagoge. Besucher des Arbeitskreises Homosexualität bei der Stadtmission Halle seit Januar 1987, Mitbegründer des Begegnungs- und Beratungs-Zentrum „lebensart" e. V. Halle. U. a. ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Aufklärungsprojekt „Sexuelle Orientierungen und die Vielfalt der Lebensweisen" beim BBZ „lebensart" e. V.
Marinka Körzendörfer
Geb. 1953 in Berlin/DDR; Dipl.-Journalistin; spätes Coming Out mit 29 mit und durch die Hilfe der ersten Lesbengruppe in der DDR, dem „Arbeitskreis Homosexuelle Selbsthilfe - Lesben in der Kirche" an der Berliner Gethsemane-Gemeinde; aktive Mitarbeit in der DDR-weiten Lesben- und Schwulenbewegung; 1989 Mitgründerin des Unabhängigen Frauenverbandes - UFV; noch im Frauenprojekt „lila offensive".
Prof. Dr. Rüdiger Lautmann
Geb. 1935, lehrt Soziologie an der Universität Bremen und leitet das Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung in Hamburg. Neben den ‚offiziellen' Aufgaben seit 1971 Forschungen zur Homosexualität; als Schwuler selbst veröffentlicht mit dem Buch ‚Seminar: Gesellschaft und Homosexualität' (Suhrkamp, 1977). Weitere einschlägige Bücher wie „Homosexualität. Handbuch der Theorie- und Forschungsgeschichte" (Campus-Verlag, 1993) oder „Ausgrenzung macht krank. Homosexuellenfeindschaft und HIV-Infektionen" (Westdeutscher Verlag, 2000). Seit 1982 mehrfach in der DDR, zu Forschungen in den Staatsarchiven über den § 175, Kontaktaufnahme zu Aktivisten.
Christian Schenk
Christian (bis 2006 Christina) Schenk MdB a.D., geb. 1952, Dipl.-Physiker. 1983 - 1990 in der Lesben- und Schwulenbewegung der DDR unter dem Dach der Evangelischen Kirche aktiv, insbesondere in der „Lesbengruppe Berlin", 1989 Gründungsmitglied des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV) und dessen Vertreter/in am Zentralen Runden Tisch der DDR, 1990-2002 Mitglied des Deutschen Bundestages, u.a. mit dem Arbeitsschwerpunkt Gleichstellungspolitik in Bezug auf lesbische, schwule, trans- und intersexuelle Lebensweisen, gegenwärtig in Transsexuellen- und Transgender- sowie Intersex-Zusammenhängen
politisch engagiert.
Dr. Ursula Sillge
Geb. 1946, Dipl. Agrar-Ing., Soziologin, Dr. phil. Kulturgeschichte. Seit 1968 in Berlin (Ost), Feministin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin, psychosoziale Beratung, journalistisch und schriftstellerisch tätig, Initiatorin und langjährige Leiterin des Sonntags-Clubs, gründete und leitet das Lila Archiv. Buch: „Un-Sichtbare Frauen - Lesben und ihre Emanzipation in der DDR", Berlin, Verlag Ch. Links, 1991 u.a. Publikationen.