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Wieviel Brautsträuße dürfen es sein?

Hochzeit_vor_dem_Standesamt_Potsdam„Es kann nicht sein, dass 9:00 Uhr Paul und Paula vor dem Standesamt heiraten und 9:15 Uhr Horst und Horst“. Diese Äußerung des damaligen CDU - Landtagsabgeordneten Sven Petke in einer Potsdamer Zeitung löste vor zehn Jahren, die erste öffentliche Protestaktion Brandenburger Lesben und Schwule aus. „Die standesamtliche Verpartnerung von homosexuellen Paaren würde die heterosexuelle Ehe herabwürdigen“, so der CDU – Politiker damals weiter.


Damit stand er innerhalb der Landesregierung nicht allein. Schönbohm und Stolpe hatten, so wird kolportiert, still und heimlich beschlossen, die Verpartnerung lediglich beim Notar zuzulassen. Die Standesamtstüren sollten für Homo – Paare verschlossen bleiben.

Mit einer denkwürdigen „Test – Heirat – Aktion“ am 4. Juli 2001 vor dem Potsdamer Standesamt brachten Potsdamer Queer – Aktivist_innen die Regierung in Erklärungs- und Handlungsnöte. An diesem Tag versammelten sich etwa zweihundert Lesben, Schwule und Heteros vor dem Standesamt Potsdam, um die Toleranz der Brandenburger und Brandenburgerinnen mit einer Test-Hochzeit zu testen. Damals mit dabei auch die Landtagsabgeordnete Andrea Wicklein (SPD) und die damalige Stadtverordnete Klara Geywitz (SPD). Während der Aktion ließ sich auch Matthias Platzeck, zu diesem Zeitpunkt Oberbürgermeister der Stadt Potsdam von Carsten Bock (Sprecher AK ver.di) interviewen. Platzeck äußerte sein Unverständnis, darüber dass Lesben und Schwule nicht vor dem Standesamt sein Ja - Wort geben sollten. Er sicherte während der Aktion zu, dass zumindest das Potsdamer Standesamt den Homo - Paaren zur Verfügung stände. Das freute auch Gabriele Kerntopf, damalige Leiterin der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange: "Wenn die anderen Kommunen uns vor dem Standesamt nicht wollen, dann gibt es nach Potsdam bestimmt ein schwul-lesbischen Hochzeitstourismus"

Ralph Zachrau, Test- Heiratskandidat für die Verpartnerungszeremonie erinnert sich: „Wir mussten Himmel und Hölle in Bewegung setzten, dass die Standesamtschefin uns wegen „Amtsanmaßung“ nicht des Platzes verweist. Auch Jirka Witschak, zweiter Test – Heiratskandidat erinnert sich an gerne an die Aktion: „Wir waren bei der kurzfristigen Vorbereitung völlig überfordert, mit der Frage, ob wir jetzt einen oder zwei Brautsträuße für die Jungfern werfen müssen. Niemand von uns beiden wollte die Braut sein. Wir haben uns dann kurzfristig für zwei Blumengebinde entschieden.“

Beide hatten innerhalb einer Woche die Aktion organisiert. Jirka Witschak, dazu: "Es konnte nicht sein, dass zukünftig in Brandenburg, welches so stolz ist auf seine Toleranz ist, Lesben und Schwule vor einer Ordnungsbehörde oder dem Notar heiraten müssen. Da half nur eins: öffentlicher Druck. Eine Presseerklärung alleine hätte uns nicht weitergeholfen." Im Nachhinein sind sie froh, dass so viele Leute bei der Aktion mitgemacht haben. "So unvorstellbar es klingt, aber in Leipzig findet die Verpartnerung von schwulen und lesbischen Paaren noch heute beim Ordnungsamt statt. Und zwar bei der Abteilung für Ordnungswidrigkeiten." berichtet Ralph Zachrau, der vor kurzem am CSD Leipzig mitgewirkt hatte.

Unter dem Eindruck der Protestaktion und der Berichterstattung in den Medien beschloss die Landesregierung die Entscheidung wo die Verpartnerung stattfindet den Kommunen zu überlassen. Fast ausnahmslos werden seitdem Verpartnerungen in Brandenburg vor dem Standesamt zelebriert.


"Testhochzeitsaktion" vom 4. Juli 2011 vor dem Potsdamer Standesamt - Bildergalerie

"Vor Ort" - Sendung des ORB vom 12. Juli 2001 - Bildergalerie

Text: Adolar
Foto: Stefex

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