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SPD hütet die Asche / Zypries: Wir haben fertig?

ein Kommentar zur Bundestagsdebatte am 1.02.07

 (Gaybrandenburg - communityTicker) Das war es dann wohl vorläufig: Auf einem Treffen der "Netzwerker" in der SPD-Fraktion hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypries(Foto: SPD Darmstadt) nach Schilderung für gewöhnlich gut unterrichteter Kreise eine Art Bankrott-Erklärung für diese Legislaturperiode ausgegeben: Sie erwarte bis zu den Bundestagswahlen 2009 nichts mehr Neues in schwul-lesbischer Hinsicht, keine Änderung beim Ehegattensplitting, beim Lebenspartnerschaftsrecht und beim Erbrecht.
Dabei hätte es am vergangenen Donnerstag einen wichtigen Schritt weiter gehen können, mit der gesetzlich geregelten Gleichberechtigung für Lesben und Schwule. Im Bundestag wurde unter dem Titel: „Gleiche Rechte - gleiche Pflichten, Benachteiligungen von Lebenspartnerschaften abbauen“ über einen Antrag der FDP und einen fast gleich lautenden Antrag der Grünen gesprochen (Das Wort-Protokoll der Aussprache ist unter „Interaktiv“ im  Forum von gaybrandenburg.de nachzulesen).

 Es wurde heftig debattiert. Sachargumente fanden sich jedoch nur wenige. Lediglich die CDU argumentierte immerhin zur Sache, als sie mal wieder das Kindeswohl gefährdet sah. Die Fraktion kündigte jedoch an, bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts über das Zweite Lebenspartnerschaftsgesetz von 2004 nicht mehr drüber reden zu wollen. Das hat inzwischen Methode: Die CDU/CSU zerrt mittlerweile jedes Gesetz, was gleiche Rechte für Schwule und Lesben beinhaltet, vor das Bundesverfassungsgericht; was sie übrigens bei Steuer- oder Diätenerhöhungen erstaunlicherweise nicht macht. Im Ergebnis der Debatte vom Donnerstag schienen sich die anderen Parteien einig zu sein. Letztlich war es jedoch die SPD, die offenbar mainpic_lambrecht.jpgnicht über ihren eigenen Schatten springen konnte: In dieser Frage wollte man weder interne Probleme zuspitzen, noch die große Koalition gefährden.
Christine Lambrecht (Foto: www.christine-lambrecht.de) sprach für die SPD-Fraktion vor dem Bundestag. Sie hatte sich dort auch schon im Februar 2006 zum Lebenspartnerschafts-Änderungsgesetzes geäußert. Während sie damals den Inhalt des Gesetzes noch vehement begrüßte (es stand ja auch nicht direkt zur Abstimmung), sagte sie nun in knapp fünf Minuten sehr wenig dazu: …man würde ja gerne, wenn man nur  könnte, aber man könne ja eben nicht, jedenfalls nicht so und schon gar nicht jetzt. So blieb einzig die Aussage: "Haben sie noch etwas Geduld. Ich weiß, das fällt Männern ein bisschen schwerer als Frauen. Wir Frauen sind in solchen Situationen etwas gelassener...Vielen Dank für Ihre Geduld..."


Statt (in Anlehnung an einen LSU-Werbeslogan) die Flamme der Revolution zu bewahren, will die SPD offenbar nur noch die Asche der großen Koalition - oder gar die der traditionellen, wertkonservativen Arbeiterpartei behüten. Niemand traut sich mehr weiter voranzutreiben, dass die Lesbe, die für ihre Partnerin und ein Kind sorgt, steuerlich genauso behandelt wird, wie der heterosexuelle Ehemann. Niemand setzt durch, dass der fürsorglich seinen sterbenden Partner betreuende Schwule nach dem Ableben seines Gatten steuerlich nicht wie ein Fremder behandelt wird. Gegenwärtig droht Erbschaftssteuer - sogar für sein eigenes Vermögen, wenn er den eigenen Hausrat nicht lückenlos nachweisen  kann. Längst wird er hingegen wie ein Angehöriger behandelt, wenn es darum geht, durch seine Tätigkeit der Gemeinschaft Teile der Pflegekosten zu ersparen. Und die zahlreichen homosexuellen Paare, die gern in gemeinsamer Verantwortung glückliche Kinder aufziehen und betreuen würden (was sie laut zahlreicher Studien auch genau so gut oder schlecht können wie jeder andere), werden sich diesen Wunsch wohl auch noch über die laufende Legislaturperiode hinaus warm halten müssen.


Offiziell wird gern erklärt, mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), hätte man doch schon viel erreicht (auch, wenn man es überhaupt nur auf Druck der EU hin, und dann noch sechs Jahre zu spät verabschiedet hat). Die CDU-Abgeordnete Ute Granold (Foto: CDU/CSU-Fraktion) betonte, Unterhaltszahlungen an den Partner könnte man doch als außergewöhnliche Belastung absetzen. Man hätte doch eine "gewisse steuerliche Erleichterung", was für Experten ein Hohn ist, wie das folgende Beispiel zeigt:
Eine dreiköpfige Familie, die Eltern verheiratet, ein Kind, ein Partner mit 60.000 Euro Einkommen pro Jahr, ein Partner mit 4.800 Euro (Mini-Job). Jeder Partner hat also ein Durchschnittseinkommen von 32.400 Euro. Drei Prozent davon nennt der Gesetzgeber eine zumutbare Belastung, also 972 Euro. Der Ehepartner, der seiner Partnerin nun jeden Monat 500 Euro Unterhalt zahlt, kann 5.028 Euro (12 mal 500 minus 972) als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Die Gesamtsteuerlast der Familie beträgt bei einem Steuersatz von 18,3 Prozent letztlich 10.938 Euro pro Jahr.

Bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sieht das anders aus: Die verpartnerte Lesbe (Einkommenslage identisch zum vorangegangenen Beispiel), die das Kind ihrer Partnerin bis heute nicht adoptieren durfte, muss sich sieben Prozent von 60.000 Euro, also 4.200 Euro als zumutbar anrechnen lassen. Auch sie zahlt monatlich ihrer Partnerin 500 Euro Unterhalt, kann davon aber nur 1.800 Euro steuerlich geltend machen. Ihre Steuererleichterung beträgt lediglich 756 Euro, ihre Gesamtsteuerlast liegt angesichts eines Steuersatzes von 27,6 Prozent jedoch bei 16.560 Euro. Sie trägt demnach 5.621 Euro (etwa die Hälfte) mehr zum Finanzamt, als der verheiratete Ehemann. Dass sind monatlich 468 Euro, die die kleine Familie bestimmt gut gebrauchen könnte. Dieses Rechenbeispiel zeigt nebenbei deutlich die wirtschaftlichen Vorteile des sogenannten Ehegatten-Splittings.

Eine Labour-Staatssekretärin aus dem britischen Sozialministerium, die Brigitte Zypries zum eingangs erwähnten Netzwerk - Treffen begleitete, bemerkte erstaunt, das Deutschland hier mal wieder europäisches Schlusslicht sei. Diese Fragen habe England längst gelöst. Momentan streite man lediglich mit den kirchlichen Adoptionsstellen, da diese eine Umsetzung verweigern würden.
Warum tritt Deutschland nunmehr ausgerechnet bei der Gleichstellung von Schwulen und Lesben auf der Stelle – und zählt diesbezüglich inzwischen zu den rückschrittlichsten Ländern der EU? Warum beschreitet die große Koalition nicht endlich auch bei diesem Thema einen konsequenten und geradlinigen Weg? Innerhalb der SPD ist der noch nicht vollzogene Wandel von der tradierten Arbeiterpartei zur modernen Fortschrittspartei sicher ein gewichtiger Grund. Aber auch hier wird man lernen müssen, die lähmenden Ängste vor dem Neuen gegen die sicher risikobehafteten Chancen der Zukunft abzuwägen. Es bleibt abzuwarten, in wieweit sich die Befürworter der Moderne in der SPD letztlich durchsetzen können.


Und ganz persönlich an Frau Lambrecht: Manchmal bin ich froh ein Mann zu sein. Wenig leidensfähig, spontan, ungeduldig und nach Veränderungen strebend. Sachargumente schnell analysierend und gleich in angemessene Handlungen umsetzend, zielstrebig und manchmal die Gefühle von Anderen verletzend. Danke, dass ich das jetzt wieder weiß...

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